Zurück zur vorherigen Seite
Fake News
Friday, 18. February 2022 - 08:22

Seit dem Aufkommen der sozialen Netzwerke ist die Zahl der Fake News explosionsartig angestiegen. Die Konsequenzen sind entsprechend gross. Was kann getan werden, um den Einfluss von Falschmeldungen zu verringern, ohne die Meinungsfreiheit jedes Einzelnen einzuschränken? Nachstehend erfahren Sie mehr.  

Fake News oder Falschinformation haben eine enorme Macht. Sie verbreiten sich wie ein Lauffeuer, sind oft nur schwer zu erkennen und noch schwerer zu bekämpfen. Den Begriff Fake News, der 2016 zum „Anglizismus des Jahres“ gekürt wurde und im deutschen Sprachraum vor allem seit den US-Präsidentschaftswahlen im November 2016 bekannt ist, gibt es jedoch schon seit langem (siehe Kasten).

Fake News dürften so alt sein wie Nachrichten und menschliche Kommunikation über Ereignisse schlechthin und sind keineswegs eine Erfindung des Internetzeitalters. Dass Fake News unabhängig vom Medium sind, mit dem sie übertragen werden, macht ein frühes in Stein gemeisseltes Beispiel, die Schlacht von Kadesh (1274 v. Chr.) deutlich. Pharao Ramses II. verwandelte hierbei eine krachende Niederlage gegen die Hethiter in einen triumphalen Sieg und liess diesen in einem monumentalen Relief darstellen. Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass Falschmeldungen immer wieder für politische, militärische und religiöse Zwecke eingesetzt wurden. In seiner Arbeit für die Universität Bern zeigte Simon Mastrangelo, ehemaliger Mitarbeiter der HETS, zum Beispiel auf, welche Bedeutung Fake News im israelisch-palästinensischen Konflikt haben. Für ihn ermöglichen Fake News die Dämonisierung des politischen Gegners. Es handelt sich um eine Inszenierung mit dem Ziel, das gegnerische Lager zu entmenschlichen.

Seit dem Aufkommen des Internets und der sozialen Netzwerke hat die Bedeutung von Fake News jedoch schlagartig zugenommen. Eines der bekanntesten Beispiele ist sicherlich Cambridge Analytica, das Unternehmen, das 2018 in die Schlagzeilen geriet. Es hatte sich persönliche Daten von zig Millionen Facebook-Nutzern beschafft, um im Rahmen von Donald Trumps Wahlkampf die Wählerschaft mit zielgerichteten Botschaften zu manipulieren[1]. 

Jean-Gabriel Piguet, Leiter des Dienstes für angewandte Ethik der Schule, führte zwischen Mai 2020 und Juni 2021 ein Forschungsprojekt durch, das sich mit den ethischen Herausforderungen der Bekämpfung medizinischer Desinformation befasste. „Seitdem die sozialen Netzwerke unter Beschuss stehen, verwenden sie andere Algorithmen, um die Verbreitung von Desinformationen zu verringern. Es fehlt jedoch an Transparenz, sodass es unmöglich ist, sich von der Wirksamkeit dieser Massnahmen zu überzeugen. Abgesehen von der Wirksamkeit besteht das Problem darin, dass sie die alleinige Kontrolle über die Kriterien und deren Anwendung haben und es keine Rechtsmittel gibt. In der liberalen Tradition ist eine solche Machtkonzentration die Definition von Despotismus", erklärt er.

Doch wie können die Auswirkungen von Fake News verringert werden? Es bestehen mehrere Ansätze, von denen einige an der HES-SO Valais-Wallis entwickelt werden. 

  

*https://www.sueddeutsche.de/digital/cambridge-analytica-facebook-brittany-kaiser-1.4747594

 

Einführung eines Qualitätslabels

Das Institut Wirtschaftsinformatik führt seit mehreren Jahren Projekte in Zusammenhang mit den Medien durch. Ein 2019 abgeschlossenes Projekt hatte zum Ziel, die Verbreitung von Fake News besser zu verstehen und Methoden zu entwickeln, um diese besser zu erkennen. Das Projekt von Nicole Glassey und Zhan Liu, Spezialist für Algorithmen, wurde anschliessend weitergeführt, um in Zusammenarbeit mit der Gruppe ESH Médias ein Qualitätslabel für journalistische Inhalte zu entwickeln. „Die Herausforderung besteht darin, ein einziges, allgemein anerkanntes Label zu schaffen. Doch wir haben nicht die notwendige Reichweite, um ein internationales Label zu entwickeln, das auch von den Bit Tech anerkannt wird,“ fügt Nicole Glassey hinzu. Aus diesem Grund wird demnächst ein Kolloquium organisiert, das von IMI (Initiative for Media Innovation) finanziert wird und sich an alle betroffenen Westschweizer Akteure richtet.

Das europäische Projekt AI4media verfolgt ähnliche Ziele. Das Projekt, das im Rahmen des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont 2020 durchgeführt wird, soll ein Kompetenzzentrum für europäische und internationale Forschende werden. Das Ziel besteht darin, mithilfe von auf künstlicher Intelligenz beruhenden Technologien die Einhaltung der ethischen Grundsätze in den Medien zu gewährleisten. „Wir wollen nicht ein Zensurwerkzeug entwickeln, sondern Tools zur Überprüfung des Kontextes. Wir möchten eine künstliche Intelligenz mit einem menschlichen Touch schaffen, die auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet ist und gleichzeitig die Qualitäts- und Zuverlässigkeitsstandards für die Produktion von Multimedia-Inhalten gewährleistet", erklärt Henning Müller vom Institut Wirtschaftsinformatik. Das Institut der HES-SO Valais-Wallis und das Forschungsinstitut Idiap sind die einzigen Forschungseinrichtungen aus der Schweiz, die an diesem Grossprojekt beteiligt sind.


Eine stärkere Sensibilisierung

Statt Medieninhalte mittels Algorithmen zu überprüfen, setzt das Projekt SAMS auf die Sensibilisierung der Leser und Leserinnen durch einen Chatbot. Ein interdisziplinäres Team der HES-SO Valais-Wallis und der Hochschule Arc hat einen Chatbot entwickelt, der die User vor Fake News warnt, ihre Sensibilität dafür entwickelt und ihnen hilft, diese zu erkennen. Wenn ein Artikel als Falschmeldung identifiziert wird, schlägt der Chatbot einen ähnlichen Artikel vor. Matthieu Delaloye, Projektverantwortlicher der HES-SO Valais-Wallis, erklärt: „Das Projekt hat sich bewährt und wurde beim letzten Versus Virus Hackathon ausgezeichnet. Wir möchten es nun unseren Medienpartnern vorstellen.“

Die Sensibilisierung für Fake News kann auf unterschiedliche Arten erfolgen. Die HEdS bietet zum Beispiel einen Workshop unter der Leitung eines Journalisten und eines Anwalts an. Und beim Lesen von hespresso haben Sie die Möglichkeit, mithilfe einer AR-App, die Sie herunterladen können, die drei Falschmeldungen zu erkennen, die wir in das Magazin hineingeschmuggelt haben. 

Fake News zensurieren?

Das Gesetz von Brandolini besagt, dass Unsinn durch die Wahrheit kaum zu entkräften ist. Warum also nicht einfach Fake News zensieren, statt ihre Verbreitung einzuschränken? Die Idee scheint verführerisch, wirft aber auch einige schwerwiegende Fragen auf. Jean-Gabriel Piguet fasst sie wie folgt zusammen: „Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äussern, und wir alle können uns irren. Die Verbreitung einer falschen Information sollte daher nicht zensiert werden, auch wenn sie der Demokratie nicht förderlich ist. Um Zensur zu rechtfertigen, müsste man nicht aufzeigen können, dass eine Information falsch ist, sondern dass ein Inhalt gefährlich ist, weil er falsch ist. Wie zum Beispiel der Verkauf von Medikamenten, die in Wirklichkeit schädlich sind, durch skrupellose Unternehmen. Die Regierungen könnten entsprechende Massnahmen treffen, um den Bürgern und Bürgerinnen eine sichere Erfahrung zu bieten. Für mich ist die zentrale Frage jedoch, ob diese wirklich so glaubwürdig sind. Und wo sie ihren Platz in einer Demokratie sehen?“

Hinter der Problematik der Fake News verbirgt sich eine viel tiefere Krise: diejenige des Vertrauens. Demokratie, Politik, Medien, Wissenschaft – die Behörden haben für viele enttäuschte Bürger und Bürgerinnen an Glaubhaftigkeit verloren. Viele ziehen es vor, den ihnen nahestehenden Personen Glauben zu schenken, denn die körperliche oder ideologische Nähe fördert das Vertrauen, ungeachtet der Fakten. Unsere Schule, die den Studierenden und der Walliser Bevölkerung nahe steht, hat die Möglichkeit, die Verbindung und das Vertrauen wiederherzustellen... und die Bedeutung einer wirksamen Sensibilisierung für Fake News aufzuzeigen!  


Hespresso #4 

Dieser Artikel erschien in der 4. Ausgabe des Magazins hespresso der HES-SO Valais-Wallis zum Thema Fake News. Das Magazin enthält absichtlich mehrere Falschmeldungen.