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Florence Moos
Monday, 24. October 2022 - 07:10

Ziel der Beratungsstelle Tigre de papier ist die Förderung des Wohlbefindens am Arbeitsplatz. Seit 2019 arbeitet sie mit der HES-SO Valais-Wallis zusammen, um Studierende bei Problemen verschiedener Art – Mobbing, sexuelle Belästigung, Erschöpfung, Überforderung, finanzielle Schwierigkeiten usw. – zu unterstützen. Diese externen Beratungsdienstleistungen sind für alle Studierenden kostenlos und vertraulich. Die Sozialarbeiterin Florence Moos, Gründerin der Beratungsstelle, spricht über deren Rolle und die Herausforderungen in Zusammenhang mit COVID. 



Aus welchen Gründen werden Sie von den Studierenden kontaktiert?

Finanzielle Schwierigkeiten sind der häufigste Grund für eine Beratung, gefolgt von persönlichen Schwierigkeiten, die Auswirkungen auf das Studium haben. Weiter kommen Studierende oft aufgrund von zwischenmenschlichen Problemen, sowohl im Privatleben als auch am Praktikumsort, oder Schwierigkeiten im Studium zu uns: nicht bestandene Module oder Studienjahre, Probleme im Unterricht, administrative Formalitäten wie Stipendiengesuche, Bezahlung von Arztrechnungen usw. Oft sind diese Probleme mit Behördengängen verbunden, insbesondere bei finanziellen Schwierigkeiten. 

Haben diese Probleme aufgrund der COVID-Krise zugenommen?

Die Probleme sind in etwa gleich geblieben, aber bei den finanziellen Schwierigkeiten konnte ich einen Unterschied vor und während bzw. nach der Pandemie feststellen. Natürlich entstanden aufgrund der Pandemie besondere Situationen, insbesondere als die Schule im Mai 2020 einen Fonds zur Unterstützung der Studierenden einrichtete. Die Nachfrage war sehr hoch, was eine entsprechende Nachbetreuung erforderte. Was ebenfalls schlimm war, war die Anzahl der Studierenden, die ihre Jobs in Bars, Restaurants usw. verloren und ihr Studium nicht mehr finanzieren konnten.  

Was ist Ihnen bei den Studierenden während des Lockdowns aufgefallen?

Anlässlich der Mental Health Week organisierten die Studierenden der Sozialen Arbeit Fernpräsentationen, an denen ich teilgenommen habe. Ich hatte früher bereits Gelegenheit gehabt, im Rahmen des Präsenzunterrichts über meine Erfahrungen als selbstständige Sozialarbeiterin zu berichten, weshalb ich bei dieser Online-Präsentation den Unterschied wirklich sehen konnte. Die Studierenden waren wie leer, beteiligten sich kaum, tauschten sich nur wenig aus… sie hatten ihren Antrieb verloren.  

Was ist Ihre grösste Befürchtung in Bezug auf diese Krise? 

Ich habe gehört, dass die Studierenden sich Sorgen um die Qualität ihres Abschlusses machen. Sie befürchten, dass eine negative Assoziation zwischen dem Diplom und dem Jahr des Abschlusses entsteht, was sich auf ihre Stellensuche auswirken könnte.  

Jetzt, da die Krise vorüber ist, können Sie eine Verbesserung des seelischen Gleichgewichts bei den Studierenden feststellen?   

Bei der Umstellung auf Fernunterricht bemerkte ich, dass sich die Studierenden aufgrund der erforderlichen Anpassungen vermehrt Sorgen machten. Die anschliessende Rückkehr zu einer gewissen Normalität brachte erneut eine Phase der Instabilität und Anpassung mit sich. Ich hatte ein oder zwei Studierende, die aufgrund dessen eine gewisse Form der Erschöpfung aufwiesen. Auch wenn natürlich alle sehr froh waren, wieder zu ihrem gewohnten Alltag zurückzukehren. 

Es ist auch sehr wichtig, Orte zu haben, die mit der jeweiligen Aktivität in Verbindung gebracht werden. Während der COVID-Krise verliess ein Grossteil der Studierenden ihr Zimmer nicht mehr. Die Grenzen zwischen Schul-, Berufs- und Privatleben verschwammen, da alles von zu Hause aus erledigt werden konnte, und es war nicht einfach, ohne diese natürlichen Unterbrechungen eine gesunde Lebensweise zu pflegen. Inzwischen haben wir dieses wichtige Gleichgewicht jedoch wiedergefunden.