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Conférence physio-climat
Tuesday, 20. December 2022 - 08:30

Am vergangenen 24. November zeigte die Gruppe „HES-SO llb“ die Aufzeichnung einer Konferenz zum Thema Physiotherapie und Klima, die am CHUV in Lausanne stattgefunden hatte. Das Ziel bestand darin, ihre Mitstudierenden und zukünftigen Physiotherapeuten und -therapeutinnen für die zahlreichen Herausforderungen zu sensibilisieren, mit denen sie sich im Berufs- und Privatleben werden auseinandersetzen müssen.

Trotz dieses ernsten Themas nahm sich Claire Pheulpin gut gelaunt Zeit für unsere Fragen: 


Gibt es deiner Ansicht nach einen Zusammenhang zwischen dem Klima und der Gesundheit?

Das ist offensichtlich. In den vergangenen 150 Jahren kam es durch menschliche Aktivitäten zu einer globalen Erwärmung des Klimas und dadurch zu Naturkatastrophen (Dürren, Überschwemmungen) und vermehrt auch zu Hitzewellen, unter denen vor allem gefährdete Personen leiden.  Dieser Klimawandel hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und beeinflusst diese indirekt auch durch die Verschlechterung der Qualität der landwirtschaftlichen Nutzflächen, den erschwerten Zugang zu Trinkwasser und die Zerstörung von Lebensräumen. Durch die globale Erwärmung können sich tropische Mücken, die beispielsweise für die Übertragung von Dengue- oder Zika-Viren verantwortlich sind, auch bei uns ausbreiten. Zudem tragen Treibhausgase, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehen, zur Luftverschmutzung und zur Zunahme von Herz- und Kreislaufproblemen bei. Das ist besorgniserregend!


Welches waren die interessantesten Aussagen im Rahmen der Konferenz?

Überraschenderweise ist der Gesundheitssektor einer der grössten Verursacher von Treibhausemissionen, insbesondere aufgrund des hohen Energieverbrauchs. Mit über einer Tonne CO2-Äquivalent pro Kopf gehört die Schweiz zu den grössten Treibhausgasemittenten weltweit. Der Gesundheitssektor trägt somit einen Teil der Verantwortung für die Klimakrise. Positiv betrachtet bedeutet dies jedoch auch, dass dieser Sektor ein grosses Verbesserungspotenzial hat und die Gesundheitsfachleute, d. h. auch die Physiotherapeutinnen und -therapeuten, sich aktiv am Kampf gegen den Klimawandel beteiligen können.  Die Vorträge im Rahmen dieser Konferenz haben gezeigt, dass es in der Schweiz bereits verschiedene entsprechende Initiativen gibt. Es ist für mich ermutigend, dass die Gesundheitsfachleute ihren Beruf vorantreiben wollen und durch die Thematisierung dieser Probleme das Bewusstsein für diese gesellschaftlichen Herausforderungen schärfen. Wir fühlen uns von solchen Thematiken oft überfordert und wissen nicht, dass es bereits konkrete Verbesserungsmassnahmen gibt. 


Macht dadurch deine Berufswahl noch mehr Sinn?

Auf jeden Fall! Die gegenwärtigen und zu erwartenden Klimaänderungen zeigen, dass jetzt gehandelt werden muss. Ich kann als Bürgerin, aber auch als Gesundheitsfachfrau handeln und mein Engagement wird zwangsläufig positive Auswirkungen haben. Physiotherapeutinnen und -therapeuten haben zum Ziel, die Gesundheit und einen aktiven Lebensstil zu fördern. Dies kann nur erreicht werden, wenn die Qualität unserer Umwelt zufriedenstellend ist. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Gesundheit als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens definiert wird. Für unser Gleichgewicht ist die Naturverbundenheit von grundlegender Bedeutung. Durch den Schutz der Biodiversität und der Ökosysteme sowie den Kampf gegen die globale Erwärmung tragen wir auch etwas zu unserer Gesundheit bei. Es ist unsere Aufgabe, die Patientinnen und Patienten über den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Klimawandel sowie über die potenziellen Risiken aufzuklären. Die Prävention spielt dabei eine wichtige Rolle.  


Welchen Einfluss wird dies auf deine berufliche Tätigkeit haben?

Bei der Ausübung meines Berufs werde ich zwangsläufig umweltfreundliche Praktiken umsetzen.  Die verschiedenen Referierenden haben konkrete Möglichkeiten aufgezeigt: besseres Abfall- und Wassermanagement, Energieeinsparungen durch die bewusste Wahl von Lieferanten und Geräten, sanfte Mobilität usw. Eine grosse Herausforderung besteht auch darin, durch die Vermittlung von Wissen das Bewusstsein im Pflegebereich vermehrt zu schärfen. Ebenfalls möglich sind Anpassungen im Behandlungsplan oder in der Patientenbetreuung. Dies wurde mit folgendem Beispiel treffend veranschaulicht: Anstatt einen Patienten zu Therapiezwecken auf ein Fahrrad zu setzen, ist es sinnvoller, sich zu erkundigen, mit welchem Verkehrsmittel er in die Praxis kommt. Ich bin davon überzeugt, dass eine Institution oder eine Praxis, die sich für den Umweltschutz engagiert, ein positives Image vermittelt und Klientinnen und Klienten anzieht, die ihre Werte teilen.   


Welche Vision hast du von der Physiotherapie der Zukunft?

Die Physiotherapie wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und sich dabei an die mit dem Klimawandel verbundenen Probleme anpassen müssen, z. B. die Zunahme von Herz- und Kreislaufkrankheiten, die Ausübung sportlicher Tätigkeiten bei höheren Temperaturen usw.  Der gesamte Berufsstand muss darüber nachdenken, wie er seinen ökologischen Fussabdruck verringern und eine ethische Verantwortung für die Umwelt entwickeln kann. Auf diese Weise könnte ein kollektives Handeln des Berufsstands erreicht werden. 


Liegt dir etwas speziell am Herzen?

Wir verfügen inzwischen über genügend wissenschaftliche Erkenntnisse, die uns zeigen, dass wir jetzt handeln müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen. Persönlich macht mir der Mangel an konkretem Engagement der Bevölkerung Sorge, aber ich verstehe auch, dass viele Menschen von dieser grossen Aufgabe überfordert sind und lieber ihr gewohntes Leben weiterführen, anstatt einen umweltbewussten Lebensstil anzunehmen, der oft mit Einschränkungen verbunden ist.  Auf individueller Ebene ist unser Einsatz tatsächlich nur ein kleiner Tropfen im grossen Ozean. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass wir nicht allein sind! Jeder Mensch steht mit anderen Menschen in Verbindung und wir bilden eine Gemeinschaft, die etwas bewegen kann, wenn sich jede/r Einzelne dafür einsetzt. Ein Ozean ist nämlich nichts anderes als eine Vielzahl von Tropfen. Zum Schluss möchte ich Sir Peter Scott, einen der Gründer des WWF, zitieren: „Wir können nicht alles schützen, was uns am Herzen liegt, aber es wird immer mehr sein, als wenn wir es nicht versucht hätten.“ Versuchen wir also, gemeinsam etwas zu ändern!