Warum arbeitet ein Institut Informatik mit einem Sozialwissenschaftler zusammen? Jakub Mlynar, Doktor der Soziologie und Mitarbeiter am Institut Informatik der HES-SO Valais-Wallis, erzählt uns von seinen Projekten und seiner Forschung. Maschinen, Algorithmen und künstliche Intelligenz sind heute ein fester Bestandteil unseres Lebens: Smartphones und Computer begleiten unser Berufs- und Privatleben, unsere Fahrzeuge sind ebenso elektrisch und vernetzt wie unsere Kühlschränke oder unsere Uhren. Unsere Interaktionen mit diesen neuen Werkzeugen verändern unser menschliches Verhalten, und genau das ist das Studiengebiet von Jakub Mlynar, der sich in der HUCO - Human Centred Computing Group, dem Forschungslabor von Professor Florian Evéquoz, für die Interaktion zwischen Mensch und Maschine interessiert.
Der aus Prag stammende Jakub Mlynar ist froh, in der Schweiz und insbesondere an der HES-SO Valais-Wallis arbeiten zu können, da er hier mit Personen aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten kann. Er freut sich darauf, über eine gemeinsame Sprache zwischen verschiedenen Wissenschaftsbereichen nachzudenken, um das Problem der Interaktion zwischen Technologie und Mensch aus neuen Perspektiven zu betrachten. Wie nutzen die Menschen die Technologie? Diese Frage leitete Jakub Mlynars Studium als Student an der Karls-Universität in der Tschechischen Republik. Er konzentriert sich auf digitale Technologien und die täglichen Interaktionen, die wir mit ihnen haben. Denn Dinge, die uns einfach und natürlich erscheinen, wie ein Gespräch mit einer anderen Person zu führen, ist eine Aktivität, die viel Mühe und Übung erfordert und nicht leicht zu erlernen oder zu erklären ist. Stellen Sie sich also vor, wie kompliziert es ist, einer Maschine - einem Conversational Agent - beizubringen, wie sie den Eindruck einer natürlichen Konversation erwecken kann? Es sind diese scheinbar unbedeutenden, aber sehr bedeutsamen menschlichen und alltäglichen Interaktionen, die der Forscher analysiert, um beschreiben und erklären zu können, was sie ausmacht (Sprache, Gestik und nonverbale Interaktionen). Dies sollte es ermöglichen, digitale Technologien besser an unser Verhalten anzupassen, um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine reibungsloser zu gestalten.
Während seiner Doktorarbeit an der Abteilung für Soziologie, Philosophische Fakultät der Karlsuniversität analysierte er Interviews zur Oral History (zugänglich im Malach Center for Visual History am Institut für formale und angewandte Linguistik). So stellte er fest, dass die Technologie unsere Wahrnehmung von Geschichten verändern kann, die in der Gegenwart aufgezeichnet werden, um Menschen in der Zukunft von der Vergangenheit zu erzählen. Das Mittel des Videos, um diese Aussagen festzuhalten, verändert nicht nur die Art und Weise, wie die Protagonisten ihre Geschichten erzählen, sondern auch die Art und Weise, wie die Aussagen von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Während seiner Postdoktorandenzeit fügte Jakub seiner Forschung eine weitere Dimension hinzu, indem er untersuchte, wie diese Art von gefilmten Interviews dem Lernen von Schülern und Studenten zugute kommen könnte, indem sie in Klassenzimmern gezeigt werden.
In der Schweiz setzte er seine Arbeit mit Esther González-Martínez an der Universität Freiburg zwischen 2016 und 2018 dank eines Exzellenzstipendiums der Schweizerischen Eidgenossenschaft fort. Er konzentriert sich in seiner Forschung auf die Interaktion zwischen den in einem Klassenzimmer anwesenden Personen und nicht auf die Interaktion zwischen dem Video und den Personen, die es anschauen. Wie arbeiten Schülerinnen und Schüler mithilfe eines Computers zusammen und welche Informationen werden während des Lernens durch die Vermittlung von Videos behalten? All diese Fragen führen zur Verbesserung von Systemen, die wir täglich nutzen, wie z. B. Videokonferenzen. Es ist wichtig zu wissen, wie sich diese Werkzeuge auf unsere sozialen Interaktionen auswirken und welche Auswirkungen die Informationstechnologie auf die Umwelt und das menschliche Verhalten hat. Dies wird es in Zukunft nicht nur ermöglichen, bessere Systeme einzusetzen, sondern auch, sich gesetzliche Leitplanken für ihren Einsatz auszudenken.
Ab September 2021 ist Jakub Mlynar an der HES-SO Valais-Wallis angestellt und konzentriert seine Tätigkeit auf die künstliche Intelligenz als soziales Phänomen und Objekt. Statt der Technologie an sich interessiert er sich für die Veränderungen, die sie in den Interaktionen der Menschen untereinander, zwischen Werkzeug und Mensch mit sich bringt, und wie sie in den Alltag integriert wird; denken Sie an automatisierte Roboter in Fabriken, autonome Fahrzeuge oder Chatbots (Konversationsagenten). Im Rahmen des Mobility Lab arbeitete er am Projekt "Robi at Work" in Partnerschaft mit PostAuto und Benjamin Nanchen vom Institut Tourismus, um herauszufinden, wie sich dieser Roboter, der in Saas-Fee Gepäck transportierte, auf das menschliche Verhalten auswirkte. Er fand heraus, dass die Menschen auf der Straße, die Benutzer/innen des Roboters, die Personen, die Videos von den Interaktionen vor Ort aufnahmen, sowie der/die für den teilautonomen Roboter zuständige Teleoperator/in alle in unterschiedlichem Maße an der Bewegung und dem reibungslosen Betrieb der Maschine beteiligt waren, um einen ordnungsgemäßen Betrieb zu gewährleisten. Es bedarf also vieler Menschen, um diese Art von Werkzeug, dessen Autonomie relativ ist, richtig zu bedienen! Der Forscher hält eine soziologische und kritische Sicht auf die Technologie für unerlässlich, da sie zwar eine Quelle des Komforts ist, aber auch die Grundlage für die Polarisierung sein kann, die die Menschen in sozialen Netzwerken voneinander trennt, für Demokratiedefizite oder soziale Ungleichheiten für diejenigen, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel keinen Zugang dazu haben. Bevor wir den Markt mit neuen Technologien überschwemmen, scheint es sinnvoller zu sein, sich zu fragen, welche Auswirkungen sie auf die Menschen, ihre Interaktionen und ihre Umwelt haben werden. "Wir leben in einer Zeit, in der wir wissen, dass die Ressourcen begrenzt sind; daher müssen wir uns fragen, ob die Technologien, die wir uns vorstellen, einem Bedürfnis entsprechen. Wenn wir verantwortungsvoll handeln wollen, ist es nicht mehr möglich, neue Technologien auf den Markt zu bringen, ohne sich über die sozialen, menschlichen und ressourcenbezogenen Kosten Gedanken zu machen", sagt Jakub Mlynar.
Im medizinischen Bereich können Informationstechnologien wie künstliche Intelligenz die Arbeit der Ärzteschaft vorteilhaft ergänzen. Tatsächlich ist QuantImage eine Forschungsplattform, die es medizinischem Personal leicht macht, KI-Modelle für diagnostische Zwecke zu erstellen und zu bewerten, wie z. B. die Unterscheidung zwischen einem krebsartigen und einem bösartigen Knoten auf der Grundlage eines Röntgenbildes. Die Mediziner beteiligen sich aktiv an diesem Projekt, das den Pflegern entscheidende Anhaltspunkte für die Wahl einer geeigneten Behandlung liefern könnte, aber sie sind natürlich vorsichtig, wenn es um Werkzeuge geht, an die sie wichtige Verantwortlichkeiten delegieren könnten, insbesondere die Verantwortung für das menschliche Leben. Jakub Mlynar möchte herausfinden, wie er die Radiologieplattform, die vom Team von Adrien Depeursinge, einem Forscher im Bereich eHealth am Institut Informatik, erdacht und entwickelt wurde, am effektivsten nutzen kann. Zu diesem Zweck filmte er rund 30 Pflegerinnen und Pfleger in Zweiergruppen bei der Nutzung der QuantImage-Plattform zur Analyse von radiologischen Bildern. Indem er die Interaktionen der Studierenden mit der Software analysiert, kann der Forscher Probleme bei der Nutzung der Plattform erkennen und Verbesserungen in Bezug auf Design und Funktionalität vorschlagen. All diese Forschungsarbeiten zeigen unter anderem, dass wir oft auf soziale Weise mit digitalen Werkzeugen und Maschinen interagieren, als hätten sie eine Persönlichkeit. Diese Werkzeuge und Maschinen sind Teil unserer Gesellschaft, und deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie nützlich sie sind, welches Vertrauen wir ihnen entgegenbringen, wie transparent ihre Funktionsweise ist oder wie viel Verantwortung wir bereit sind, an sie zu delegieren. Geoffrey Hinton, der auch als "Pate der KI" bezeichnet wird, hat übrigens kürzlich seinen Posten bei Google aufgegeben, um die Risiken der von ihm mitentwickelten Technologie anzuprangern. Man muss sich jedoch auch bewusst sein, dass künstliche Intelligenz nicht so intelligent ist, wie es der Mensch aufgrund seiner geistigen und kognitiven Fähigkeiten sein kann. Künstliche Intelligenz ermöglicht es, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die praktischen Fähigkeiten nahe kommen. Sie sollte in diesen Begriffen unterrichtet und erklärt werden, um Verwechslungen mit der menschlichen Intelligenz zu vermeiden.