Der Titel der ersten beiden Symposien zum Thema Sound der Schule für Gestaltung und Hochschule für Kunst (EDHEA) lautete être à l’écoute, d. h. zuhören. Dies könnte auch der Slogan der Vertiefungsrichtung Sound Arts des Bachelors in Bildender Kunst sein. Seit 20 Jahren unterrichtet die EDHEA Klangkunst, aber erst seit 2021 bietet sie die in der Westschweiz einmalige Vertiefung in Sound Arts unter der Leitung von Christophe Fellay an. Rund 15 Studierende absolvieren diese gegenwärtig verteilt auf die drei Jahre des Bachelorstudiums. Christophe Fellay, Klangkünstler, Forscher, Musiker, Komponist und Performer, gründete 2004 das erste Atelier für Klangkunst und ist seit 2018 als assoziierter Professor im Bachelor- und Masterstudiengang der EDHEA tätig. Die Vertiefungsrichtung Sound Arts führt gemäss Fellay auch zu innovativen Überlegungen im Hinblick auf die Infrastruktur des für 2026 geplanten Campus der EDHEA.
„Wir haben alles visualisiert! Das 20. Jahrhundert war sehr visuell geprägt und dank spezifischer Hilfsmittel und zum besseren Verständnis haben wir selbst den Klang visualisiert. Jetzt, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, stellt sich die grosse Frage: Was wäre, wenn wir stattdessen zuhören würden?“ Fellay betont, dass die EDHEA keine Toningenieure und -ingenieurinnen ausbilde, sondern den Klang vor dem Hintergrund des Hörens in seiner Transversalität hinterfrage. „Zuhören schafft Raum für neue Beziehungen zwischen den Disziplinen und genau das interessiert uns.“ Natürlich können Klangwerkzeuge und -technologien in den Prozess einfliessen, aber der kreative Zugang zum Klang erfolgt über einen philosophischen, anthropologischen und soziologischen Ansatz. „Wie kann Klang je nach Interessen der Kunstschaffenden, Forschenden, Kuratorinnen und Kuratoren oder Ausstellungsverantwortlichen immer wieder neu mit anderen Bereichen interagieren?“ Dies ist eines der Themen, die von den Absolvierenden der Vertiefung Sound Arts und im Rahmen der Symposien behandelt werden.
Nach dem 1. Symposium Sound im Jahr 2021 organsierte die EDHEA im Herbst 2023, parallel zur ersten internationalen Biennale du Son im Wallis, eine zweite Ausgabe zum Thema Zuhören, um eine langfristige Entwicklung und Reflexion anzuregen. Dieses kulturelle Event ermöglichte es dem Symposium Sound und der Vertiefungsrichtung Sound Arts, „insbesondere Besuchenden aus dem Ausland zu zeigen, dass es in der Schweiz eine Kunstschule gibt, die sich eingehend mit Klangaspekten befasst“. Über hundert Personen nahmen an den von der EDHEA organisierten Konferenzen teil, die teilweise die Form einer Performance annahmen – ein Format, das von der EDHEA unterstützt wird. Zu den Vortragenden gehörte unter anderem Salomé Voegelin, eine international angesehene Künstlerin und Forscherin, die sich mit dem Zuhören als gesellschaftspolitische Praxis beschäftigt. Sie widmete ein Kapitel eines ihrer Bücher ihrer Performance an der EDHEA und zeigte damit, dass sich die Schule nicht nur reflexiv mit diesen Fragen befasst, sondern ihre Ideen auch vermittelt.
Nach der Eröffnung des neuen Campus im Herbst 2026 werden alle Tätigkeiten der EDHEA an einem Ort vereint sein, was Überlegungen zum künftigen Zusammenleben der verschiedenen Kunstformen bedingt. „Rund hundert Studierende der bildenden Kunst auf einem Stockwerk unterzubringen, ist einfacher als dreissig, die sich dem Klangstudium verschrieben haben.“ Es stellt sich auch die Frage der Fortbewegung des Klangs und des Transports der Arbeiten im Gebäude: „Wie können wir auf im Untergeschoss gemachte Tonaufnahmen zugreifen, wenn wir wieder in unseren Ateliers im 5. Stock arbeiten möchten, ohne dass externe oder mobile Tonträger verschoben werden müssen?“
Der Campus wird einen in Europa einzigartigen Hörraum mit einer hochmodernen Klangübertragung umfassen. Die Herausforderung besteht darin, die Räumlichkeiten für unsere verschiedenen Kunstformen so zu gestalten, dass sie an zukünftige Entwicklungen im Kunstbereich angepasst werden können. „Wir wissen nicht, welche Form die Digitalisierung in 30 Jahren haben wird. Auf welche Weise und für welche Art von Studierenden werden wir unterrichten? Die Schule muss anpassungsfähig und modulierbar sein und mit den Entwicklungen Schritt halten können.“
Der Bachelorstudiengang Bildende Kunst befasst sich in der Vertiefungsrichtung Sound Arts mit dem Zuhören. Die Arbeiten der Studierenden müssen nicht unbedingt Klangarbeiten sein. Es kann sich auch um Zeichnungen, Fotos, Installationen oder Performances handeln, die Fragen in Zusammenhang mit dem Zuhören und dem Klang thematisieren. Am Ende des 1. Semesters diskutieren die Dozierenden mit allen Studierenden, um herauszufinden, wer sein Interesse an der Klangkunst weiterentwickeln möchte. Rund 5 bis 6 Studierende wählen jedes Jahr diese Vertiefungsrichtung und konzentrieren sich auf dieses Medium. Parallel dazu wählen sie jedoch noch zwei andere Kunstformen.