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Monday, 01. March 2021 - 17:16

EINBLICKE - Le Trou de mémoire ist eine künstlerische Arbeit von Marcia Domenjoz, Schülerin im zweiten Jahr ihres Bachelorstudiums an der EDHEA. Sie beschäftigt sich mit ihrem Familienerbe und dessen Auswirkungen auf das Gedächtnis. Mit ihren Worten erzählt sie uns mehr darüber :



« Alles begann mit einem Traum, an den ich mich noch knapp erinnern konnte. Und plötzlich war sie da, die Angst vor dem Vergessen. 

Wie aber diese Angst zum Ausdruck bringen? Da mir die Tonerde, mit der ich gerne gearbeitet hätte, nicht zur Verfügung stand, benutzte ich die Erde des Gartens, den ich geerbt hatte. Ein Gemüsegarten voller Erinnerungen, die ebenfalls in Vergessenheit zu geraten drohten. 

Ich habe viele Stunden in diesem Garten verbracht und mich mit meinen Wurzeln befasst. Ich habe den Garten beobachtet, gefilmt und ihn beschrieben, ohne dass jedoch vergessene Erinnerungen wachgerufen wurden. In meinen jungen Jahren grub ich stundenlang Löcher in diesen Garten und spielte mit der Erde, aber ich empfand nicht mehr die gleiche Unschuld und Arglosigkeit wie damals. 

Mir Zeit zu lassen, war einer der Schlüssel zu meinem kreativen Prozess. Dies ist nicht einfach in einer Welt, wo Produktion das oberste Gebot ist und uns die Zeit ständig davonläuft. Nach einigen langen Wochen musste ich jedoch etwas tun, damit meine Hände nicht erstarrten, auch wenn das bedeutete, dass ich mich für einige Zeit von diesem Garten verabschiedete. 

An meinem Arbeitsplatz fand ich Papierschnitzel, Baumwollfäden, weissen Leim, eine alte Zeitung und eine Rolle Klebeband. Ich habe all diese normalerweise unbedeutenden Sachen miteinander verbunden und verleimt: aus Resten, Rändern, Leeren, Abfällen entstand, um meine Hände zu beschäftigen, eine kleine Sammlung von Werken, die man nicht lesen, aber dafür anschauen und fühlen kann.    

Dieser Garten war für mich immer noch ein Rätsel, aber wenigstens waren meine Hände wieder aktiv geworden. Ich beschloss daher einen meiner Träume auszuleben, den ich hinter einer gewissen Verachtung verbarg: eine Performance. Die Idee einer Performance hatte mich bisher nie begeistert, aber ich  hatte eine genaue Vorstellung davon. Entweder machte ich sie so oder aber gar nicht! „Es ist schade, so viel Zeit, Energie und Geld in dieses Projekt gesteckt zu haben, um am Schluss ein Pappmaschee in den Händen zu halten“. Diese Erinnerung an eine vergangene Arbeit quälte mich während mehrerer Monate. Meine Reaktion darauf war die Inszenierung einer Video-Performance, wo ich mit Ironie aufzeige, dass Pappmaschee gleich viel Aufmerksamkeit verdient wie jedes andere Material. Sie zeigt mich, wie ich während einer Stunde bei brütender Hitze Pappmaschee bügle und dann an einer Wäscheleine aufhänge. Das kann so gut tun! 

Schliesslich fand ich doch noch eine Besonderheit in diesem gut strukturieren Garten: ein ebenerdig vergrabener Zementzylinder mit einem Deckel. Ich hatte ihn die ganze Zeit vor Augen gehabt. Er diente der Lagerung von Gemüse während der Wintermonate und liess sich erstaunlicherweise in eine Zeitkapsel verwandeln. Dies habe ich dann auch realisiert, indem ich ihn mit von mir hergestellten Fliesen verkleidete, die mich an die mit Obstmotiven verzierten Wände in der Küche meiner Grossmutter erinnerten. Ich konnte so einen Raum für meine Erinnerungen schaffen und erlaube mir jetzt zu vergessen. Dank meinen ersten zwei Projekten konnte ich eine Antwort auf meinen Garten finden. Es waren Etappen auf dem Weg zu einem Ziel, das ebenfalls nur eine Etappe ist. Sackgassen entpuppen sich manchmal als Geheimgänge. »