DAS INTERVIEW
Das Wallis, das Wasserschloss der Schweiz, wird für die zukünftige Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen, insbesondere dank seiner zahlreichen Wasserkraftwerke. Mit welchen Herausforderungen dies verbunden ist, erklärt uns Cécile Münch-Alligné, Leiterin der Forschungsgruppe Wasserkraft an der Hochschule für Ingenieurwissenschaften (HEI).
Womit befasst sich die Forschungsgruppe Wasserkraft der HEI?
Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Wasserkraftwerken. Die meisten von ihnen wurden nach Ende des 2. Weltkriegs gebaut und werden heute nicht mehr auf dieselbe Weise genutzt. Deshalb entwickeln wir Instrumente zur Überwachung ihrer Alterung.
Weshalb ist diese Arbeit wichtig?
Wir wissen, dass die Wasserkraft insbesondere aufgrund ihrer Flexibilität in Zukunft eine zunehmend wichtige Rolle spielen wird. Die neuen erneuerbaren Energien sind schwer vorhersehbar und die Wasserkraft kann eine Pufferfunktion übernehmen, um die Gesamtproduktion zu glätten. Das Problem ist, dass die Turbinen nicht dafür gebaut wurden, ihre Leistung an die Nachfrage anzupassen. Diese neuen Nutzungsformen haben Auswirkungen, die untersucht und überwacht werden müssen.
Welche Auswirkungen?
Die zahlreichen An- und Abfahrvorgänge wirken sich vor allem auf Ventile, Turbinen und Leitungen aus. Wir untersuchen diese von Art von Verschleiss, indem wir die Produktion mehrmals täglich ändern. Dies ermöglicht es uns, vorausschauend zu handeln: Dank einer sorgfältigen Planung kann ein verschlissenes Teil ausgetauscht werden, ohne dass die Produktion davon massgeblich betroffen ist. Der Austausch eines kaputten Teils hingegen kann sich als sehr kompliziert erweisen und mehrere Monate dauern.
Können Projekte noch ausschliesslich mit Wasserkraft entwickelt werden oder müssen neue Partner einbezogen werden?
Seit einigen Jahren arbeiten wir im Rahmen unserer Projekte mit neuen Partnern zusammen. Zum Beispiel mit der WSL, die auf die Vorhersage der Wasserressourcen spezialisiert ist, oder dem Wasserforschungsinstitut Eawag. Eine solche Art der Zusammenarbeit erfordert natürlich, dass man sich die Zeit nimmt, einander zu verstehen. Aber es ist bereichernd, mehrere Forschungsinstitute einzubeziehen und herauszufinden, was für sie wichtig ist.
Aufgrund des Klimawandels wird sich das alpine Niederschlagsregime verändern. Wird unsere Art der Wassernutzung davon beeinflusst werden?
Sie wird in jedem Fall beeinflusst werden, da die inländische Wasserkraftproduktion aufrechterhalten oder sogar gesteigert werden muss, um unseren Bedarf an fossilen Energieträgern zu senken. Zudem werden sich die Niederschlagsmengen während des Jahres neu verteilen: Wir werden trockenere Sommer und feuchtere, mildere Winter haben. Dadurch wird im Wallis und in den Alpen eine neue Herausforderung entstehen: die Mehrfachnutzung von Wasser. Während einiger Monate im Jahr, vor allem im Sommer, wird unser Bedarf möglicherweise über die verfügbare Wassermenge hinausgehen.
Reicht es aus, die Effizienz der bestehenden Wasserkraftanlagen zu verbessern, um langfristig ohne fossile Energieträger auszukommen, obwohl unser Strombedarf insbesondere aufgrund der zunehmenden Zahl von Elektroautos und Wärmepumpen steigt?
Genau diese Frage stellen wir uns im Rahmen des Innosuisse Flagship-Projekts STORE, das von Dr. Fabrizio Sossan von der HEI koordiniert wird. Das Projekt, an dem rund 15 Hochschul- und Industriepartner beteiligt sind, befasst sich mit der Möglichkeit, die Schweiz zu 100 % mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Unter anderem wird untersucht, welche Rolle die Wasserkraftwerke spielen und wie flexibel sie sein müssen. Diese Flexibilität ist wirklich ein grosser Vorteil. Im Rahmen eines anderen Projekts, SmallFLEX Goms, untersuchen wir die Kompatibilität der Produktion aus Wasserkraftwerken mit zukünftigen Solarparks.
Wer kann sonst noch dazu beitragen, das Konfliktpotenzial rund um die Wassernutzung im Wallis zu verringern?
Die Bevölkerung! Aber dafür müssten die sozialen Aspekte stärker berücksichtigt werden. Wenn die Menschen die Situation besser verstehen würden, zum Beispiel wie ein Kraftwerk funktioniert, würden neue Projekte besser akzeptiert werden.